Ein Astro-Physiker als Superstar! Wo gibt es so etwas schon? An der University of Massachusetts in den USA. Walter Lewin und seine online Vorlesungen der Physik sind dort längst Kultstatus. Ein Grund dafür sind mit Sicherheit die ungewöhnlichen Auftritte des 72-jährigen, dessen Vorlesungen eher an einen Action-Film als an eine Vorlesung erinnern und das nur, weil er mal an einem Pendel durch den Hörsaal schwingt und mal auf einem von einem Feuerlöscher angetriebenen Dreirad durch den Raum braust. Dabei probt er jede einzelne Vorlesung gründlich bevor sie endlich abgedreht und online gestellt wird, wo sie mittlerweile hunderttausende vor ihren PC-Bildschirmen mitverfolgen. So, kann man Physik auch populär machen.
Zwar nicht ganz so action-reich, aber genauso virtuell versuchen sich mittlerweile auch einige deutsche Hochschulen. Vorreiter auf diesem Gebiet sind zum Beispiel die Ruhr-Universität Bochum oder die RWTH Aachen. Auch hier kann man mittlerweile ganze Kurse online absolvieren. Ein Erscheinen an der Uni ist nur noch für die meist mündliche Abschlussprüfung notwendig. Und das Prinzip des “Blended Learning” – also vermischtes Lernen – findet immer mehr Anhänger.
Dabei nutzt vor allem die Ruhr-Universität Bochum ihren zentralen Standort im Ruhrgebiet in Kombination mit der räumlichen Unbegrenztheit des Internet. Auf dem RuhrCampus kann man nämlich nicht nur Kurse der Universität Bochum belegen, sondern auch die Angebot der Hochschulen Duisburg-Essen und Dortmund besuchen, mit denen die Hochschule bereits seit Jahren sehr eng zusammen arbeitet. Das hat zur Folge, dass das Lehrangebot erheblich erweitert werden konnte.
Und das neue online System hat noch mehr Vorteile:
- Die Kurse können in freier Zeiteinteilung absolviert werden. Jeder erledigt die Lektion dann, wenn es ihm am besten passt. So ist mancher bereits nach zwei Wochen mit dem Stoff durch während andere etwas länger brauchen.
- Der Stoff wird intensiver behandelt – ein durchmogeln ist nicht mehr möglich. Da man in der Regel nach jeder Einheit oder Lektion ein mehr oder weniger ausführliche Aufgabe erledigen muss, kann man sich nicht hinter anderen verstecken und sich so um eine wirkliche Leistung drücken.
- Bei Bedarf kann zu bestimmten Zeiten der Kontakt zum Dozenten hergestellt werden – denn diese haben dann dem Lehrangebot entsprechend auch eine Sprechstunde via Chat oder Skype eingeführt.
Trotzdem betonen die Hochschulen, die diese System bereits in größerem Rahmen eingeführt haben, dass diese nie den eigentlichen Hochschulebetrieb ersetzen werden – denn dann würden schließlich alle Hochschulen zu Fernuniversitäten werden und dieser Unterschied sollte bestehen bleiben. Die neuen digitalen Lehrveranstaltungen könnten aber auch ein neues Marketing-Instrument der Hochschulen werden. Immerhin haben sie so die Möglichkeit ihr Angebot noch besser und detaillierter zu präsentieren und damit neue Studenten anzulocken. Die RWTH Aachen verbreitet zum Beispiel bereits einige ihrer Vorlesungen über die Plattform iTunes.
Vor allem können damit aber auch Studenten und Wissenschaftler aus der ganzen Welt viel enger zusammenarbeiten. Walter Lewins Studentenkreis beispielsweise beschränkt sich schon lange nicht mehr nur auf die USA.